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Nyange Local Heroes – eine besondere Gedenkstätte

20. 09. 2024

Wer Ruanda besucht, beschäftigt sich auch mit dem Genozid von 1994 und dessen Folgen. Zahlreiche Gedenkstätten im Land erinnern an das schier unvorstellbare Leiden und die Opfer. Auch nach dem Genozid kam und kommt es zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

 

Die Sekundarschule Nyange wurde 1997 von Rebellen angegriffen, und diese wollten  von den Schülerinnen und Schülern die Tutsi separieren und dann umbringen. Schüler stellten sich dem entgegen und sagten: „Wir sind alle Ruander!“  von den 47 Schülerinnen und Schülern bezahlten sieben dies mit ihrem Leben.

 

Michael Nieden, langjähriger Leiter des Partnerschaftsbüros in Kigali und Geschäftsführer des Partnerschaftsvereins in Mainz, beschreibt die Initiative für die Errichtung einer Gedenkstätte  in Nyange.  Sein informativer Text dazu ist hier folgend abgedruckt.

 

Im Mai 2024 besuchte eine Gruppe von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften des Gymnasiums am Römerkastell Bad Kreuznach auf den Weg zur Partnerschule in Munzanga diese Gedenkstätte. Davon und von der Einweihungsphase stammen einige Bilder in der Fotogalerie.

 

Für die Information an Schulen in Ruanda wurde ein achtseitiger Flyer von der „Vereinigung der Überlebenden“ in englischer Sprache erstellt. Er ist ebenfalls in diesem Beitrag abgedruckt (siehe "Downloads") und beschreibt neben dem Ereignis den Ansatz, Diskriminierungen entgegenzutreten. Die Druckkosten dafür hat das Ruanda-Komitee Bad Kreuznach übernommen. 

 

 

Ein Angriff auf die Menschlichkeit -  ES Nyange, Ruanda 1997

 

Die ES Nyange ist heute eine Sekundarschule und liegt auf dem Weg von Kigali nach Karongi, an den Kivu-See. Die Schule war 1997 Ort eines Angriffs von ehemaligen radikalen Hutu-Milizen, die nach dem Genozid von 1994 in den östlichen Teil des Kongos geflohen waren. Aus diesen Flüchtlingscamps, die unter Missachtung der internationalen Übereinkunft in unmittelbarer Nähe zu Ruanda lagen, wurden immer wieder terroristische Angriffe auf Ruanda unternommen.

Die Schule wurde in den 1980er Jahren von der Stadt Worms im Rahmen der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/ Ruanda gebaut und sollte nach dem Genozid 1994 junge Primarschullehrer und -lehrerinnen ausbilden. Der wichtigste Schwerpunkt der Ausbildung lag darin, die ethnisch-rassistische Trennung zwischen Hutu und Tutsi zu überwinden und sich nun als ausschließlich Ruander zu begreifen. 

 

In den späten Nachmittagsstunden wurde die Schule von einer bewaffneten Gruppe angegriffen. Sie stürmten zuerst die Klasse S6 – später eine weitere Klasse der S5 mit der Aufforderung, die Schülerinnen und Schüler sich in Hutu und Tutsi zu trennen. In beiden Klassen jedoch traten ihnen zwei entschlossene junge Frauen gegenüber mit dem Ausruf: Wir sind hier alle Ruander!

Daraufhin schossen die Eindringlinge um sich. Sieben junge Menschen fanden den Tod, über 40 weitere wurden teilweise schwer verletzt.

 

Im Jahre 2001 wurden alle 47 Schülerinnen und Schüler als Helden Ruandas anerkannt, die jeweils am 3. Februar eines Jahres geehrt werden.

 

Ende 2019 wurde an den Geschäftsführer des Partnerschaftsvereins [Michael Nieden] die Bitte des damaligen Schulleiters der ES Nyange überbracht, ob es nicht möglich wäre, einen Gedenkort für die Helden an der Schule einzurichten, da die Schule doch auch rheinland-pfälzische Wurzeln habe. 

In Zusammenarbeit mit CHENO (Chancellery for Heroes, National Orders and Decorations of Honor), der für die Betreuung von Heldengedenkorten zuständige ruandische Behörde, wurde nun ein Konzept ausgearbeitet, das einer Bildungseinrichtung gerecht werden sollte. Grundidee ist: Ja zu einem Gedenkort der Anerkennung des heldenhaften Verhaltens, aber mit der Erweiterung der Frage: Was ist oft die Ursache von Gewalt? Der wesentlichste Punkt erschien uns in der allgemein vorherrschenden Diskriminierung von Menschen zu liegen.  Eine Gesellschaft braucht keine toten Helden, sondern Alltagshelden, die gegen jegliche Form von Diskriminierung entschieden eintreten: „You can do it!“ 

 

Ein weiterer für mich wichtiger Punkt war, jungen Ruanderinnen und Ruandern – gerade im ländlichen Raum – zu zeigen, dass dies kein spezifisch-ruandisches Problem ist, sondern eine internationale Herausforderung. So wurde auf dem Weg zu den Gräbern an der Schule eine Gartenanlage konzipiert und gestaltet, die sieben Beispiele von Diskriminierung weltweit zeigen, so u.a. Anne Frank, Malala, Säureattacken auf Frauen, einen Afrikaner, der mit einer Behinderung von einem Bein durch Ghana radelte mit dem Slogan „Disability means not inability“, aber auch eine erste Misswahl in Zimbabwe von Frauen mit Albinismus. 

 

Alle Texte wurden in den drei Sprachen Kinyarwanda, Englisch und Französisch verfasst. Dieses Konzept hatte einen enormen Erfolg in Ruanda. Schon beim Aufbau der Ausstellung kamen Schülerinnen und Schüler und lasen die Texte und begannen zu diskutieren und zu diskutieren. 

 

Diese Gedenk- und Bildungsstätte wird nun neben CHENO auch von der „Vereinigung der Überlebenden“ (Komezubutwari Association) betreut, und sie würden sich sicherlich über weitere Unterstützung freuen. Deren Präsident Phanuel SINDAYIHEBA ist oft in Ruanda an Schulen unterwegs, um darüber zu berichten und mit Schülerinnen und Schülern zu diskutieren.

 

Michael Nieden, 2024

 

 

 

 

Bild zur Meldung: Nyange Local Heroes – eine besondere Gedenkstätte